Sehr guter Kommentar der OÖ Nachrichten im heutigen Morgen-Newsletter:
Ein Erdbeben hat die gestrige Entscheidung der MAN-Belegschaft ausgelöst. Eine überwältigende Mehrheit von zwei Drittel hat das Konzept von Siegfried Wolf für den Standort Steyr abgelehnt. Befürworter und Kritiker lieferten sich zum Liveticker von
www.nachrichten.at über Stunden hitzige Gefechte. Wer an den Wirtschaftsstandort Österreich glaubt, schüttelt fassungslos den Kopf.
Man muss kein Fan des Herrn Wolf sein, aber der Mann versteht sein Handwerk und hätte dem Werk eine Zukunft geboten. In seiner Zeit als Magna-Chef stieg unter anderem die Zahl der Mitarbeiter in Europa von 1000 auf 29.000. Dass in Graz heute Fahrzeuge im Auftrag von BMW, Jaguar, Mercedes produziert werden, ist auch sein Verdienst. Es sei ihm nicht gelungen, genügend Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten, um Missinterpretationen und Fehlinformationen entkräften zu können, sagte der 63-Jährige gestern in einer ersten Reaktion und spielte darauf an, dass ihn so mancher für einen Strohmann des VW-Konzerns oder der Russen hielt. Viele Mitarbeiter haben sich auch deswegen die Abstimmung sicher nicht leicht gemacht. Schließlich ging es um nichts Geringeres als ihre berufliche Zukunft – mitten in einer Wirtschaftskrise, in der eine halbe Million Menschen im Land auf Arbeitssuche ist. Wer riskiert da leichtfertig eine Werkschließung, anstatt (weiteren) Einsparungen zu zustimmen?
Denn es wäre eine Illusion zu glauben, dass der MAN-Konzern von seinen Schließungsplänen abrücken wird. Das Budget für den Sozialplan wird nun auf dreimal so viele Köpfe aufgeteilt werden, ausgesorgt hat da keiner. Danach droht die Arbeitslosigkeit, der Schaden für Standort und Steuerzahler ist enorm. Finden sich tatsächlich noch alternative Investoren? Sie würden vom gestrigen Votum vermutlich abgeschreckt. "Verständliche Emotionen treffen auf fehlende Perspektiven", nennt es mein Kollege Dietmar Mascher heute in seinem Leitartikel. Im Werk wird sich jetzt ganz schnell Ratlosigkeit breit machen.
Einer der Väter der Entscheidung, der langjährige Betriebsratschef Erich Schwarz, verabschiedete sich gestern in die Pension. Ein gutes Timing sieht anders aus. Und Industriearbeitsplätze, zumal geboten von einem heimischen Eigentümer, werden in Österreich zunehmend zu einem raren Gut.